Seelandschaft bei Sonnenuntergang, 1965

Seelandschaft bei Sonnenuntergang, 1965

SEELANDSCHAFT BEI SONNENUNTERGANG
1965
Öl auf Hartfaserplatte
32 x 46 cm
Bildbesprechung – Seelandschaft bei Sonnenuntergang, 1965 © messmer foundation

Die Landschaftsmalerei von André Evard besticht nicht nur durch ihre Originalität, sondern vor allem durch die vielseitige und imposante Farbigkeit. So lobte der Kunstkritiker Jean-Marie Nussbaum nicht nur Evards „aufgeschlossenen Geist“, sondern bezeichnete den Künstler darüber hinaus aufgrund seines Farbgefühls als „Juwelier der Malerei“. Die Landschaftsmalerei zieht sich durch das gesamte Œuvre des Schweizer Künstlers André Evard und ist somit ein wichtiger Bestandteil seines künstlerischen Ausdrucks.

André Evard wird 1876 in Renan im Berner Jura geboren und verstirbt 1972 in Le Locle im Alter von 96 Jahren. Nach dem frühen Tod des Vaters zieht er mit seiner Mutter Marie Evard nach La Chaux-de-Fonds im Schweizer Kanton Neuenburg. Trotz längerer Aufenthalte in Paris zwischen 1923 und 1927, wo er im Salon d’Automne und Salon des Indépendants große Anerkennung findet und bei denen er sich nochmals intensiv mit den alten und modernen Meistern auseinandersetzt und Künstler wie Georges Braque, Robert Delaunay und Theo van Doesburg kennenlernt, kehrt Evard immer wieder zurück in seine Heimat. Dort lässt er sich stets von der ihn umgebenden Natur inspirieren.

La Chaux-de-Fonds gehört neben Biel und Le Locle zu den bekanntesten Uhrenstädten der Schweiz, so erlernte Evard in seiner Ausbildung das Handwerk des Emaillierens. La Chaux-de-Fonds liegt auf rund 1.000 Meter über dem Meeresspielgel und ist damit eine der höchstgelegenen Städte Europas. Von eben dieser Höhe aus war Evard besonders von dem Lichtschauspiel fasziniert, das sich ihm während der Sonnenauf- bzw. untergänge bot. der wichtigsten Inspirationsquellen für den Künstler.

Seelandschaft bei Sonnenuntergang“ entstand im Jahre 1965 und zeigt eben dieses faszinierende Lichtspiel, das der Künstler so oft verfolgte und in seinem Werk verarbeitete.

Das Gemälde ist mit Öl auf Hartfaserplatte gemalt und trägt die Maße 32 x 46 cm. Die beherrschenden Farben sind unterschiedliche Rot- und Gelbtöne, die durch das Blau des Sees und der beiden kleinen blauen Wolken einen gesonderten Kontrast erhalten.

Das Bild ist in zwei Ebenen aufgeteilt. Während man im Vordergrund ein dunkles, jedoch beblumtes Ufer sieht, auf welchem sich vier kahle, dünne Baumstämme befinden, wird der Hintergrund durch die Darstellung des Himmels dominiert. Hinter dem blauen See erstreckt sich über den gesamten Horizont eine Bergkette. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei um die Bergkette Eiger, Mönch und Jungfrau, die Evard häufig malte, ebenso wie den darunter liegenden Thunersee, der hier ebenfalls gezeigt sein könnte. Die Silhouette der Bergkulisse markiert den Horizont während der Thunersee in den unterschiedlichsten Blautönen schimmert.

Im Spätwerk von Evard finden sich in seinen figurativen Werken Elemente des Pointillismus, Expressionismus und des Jugendstils wieder, die seine umfangreiche künstlerische Facette aufzeigen. Die Naturdarstellungen und die Farben der Natur zeugen von einer intensiven Gefühlsbetontheit des Schweizer Künstlers.

In diesem Werk erkennt man deutlich Evards konkret-konstruktiven Stil, den der Künstler bereits in den 1930er Jahren für sich entdeckte. Aufgrund seiner frühen konkret-konstruktiven Arbeiten gilt André Evard als der Vorreiter der Schweizer Moderne.

Im Gemälde sieht man eine achsensymmetrisch angelegte Komposition. Dies ist besonders an den zwei zu beiden Seiten angelegten Baumstämmen zu erkennen, als auch an den zwei kleinen blauen Wolken, die im rotgelben Himmel in der Mitte der Bildachse schweben. Die Abstände zu den beiden inneren Baumstämmen sind dabei identisch.

Auch die Wolkenformationen oberhalb der beiden blauen Wolken sind zu rechter und linker Seite achsensymmetrisch angelegt. Der Raum des Sees entspricht etwa dem Raum der einheitlichen gelben Färbung oberhalb der Bergkette.

Das figurative Werk, das zunächst einen beliebigen Landschaftsausschnitt zeigt, entpuppt sich als eine durchkonstruierte Komposition, die starke konstruktivistische Züge aufweist und die beiden Stile, die Evard gleichermaßen meisterhaft beherrschte auf einem Werk vereint.

(Katharina Sagel)